Als sich die Dominikaner im 13. Jahrhundert in Rottweil niederließen, baute der Orden auch die zum Kloster gehörende Kirche im gotischen Stil. Standesgemäß mit einem Dachreiter, denn der Turmbau war dem Bettelorden verboten. Die Predigerkirche ist damit die älteste gotische Kirche der Stadt. Bei der Grundsteinlegung 1268 war, wie es heißt, auch der Gelehrte und Bischof Albertus Magnus zugegen. Schon nach wenigen Jahrzehnten war die Ordensniederlassung eine geachtete Einrichtung in der Stadt. Denn die Dominikaner sorgten für die Bildung der Bürger, kümmerten sich um die ärmere Bevölkerungsschicht und hatten fantastische Prediger in ihren Reihen. Im 16. Jahrhundert war einer von Ihnen der Prior Heinrich Person, ein streitbarer Geistlicher, der immer wieder Aufsehen erregte. Zum Beispiel, wenn er in Zivilkleidung das Kloster für einige Tage verließ, um es sich in der Umgebung gut gehen zu lassen. Es hieß auch, dass in der Sakristei dem verbotenen Glückspiel gefrönt würde. Seinen Weinbedarf deckte der Orden aus einem eigenen Weinberg bei Schaffhausen.
Im Jahr 1643, in den letzten Kriegsjahren des 30-jährigen Krieges, belagerten französische Truppen Rottweil so massiv, dass die Dominikaner und die Zünfte ewige Anbetungsstunden abhielten. Dabei baten sie die „Muttergottes auf dem Rosenkranzaltar“, um Hilfe und Schutz für Rottweil. In diesen Anbetungsstunden veränderte die Muttergottes ihre Hautfarbe, sie wurde fahl und hat ihre Augen zum Himmel gedreht. Dieser Vorgang ist durch Zeugen belegt.
Rottweil ergab sich den Franzosen und kapitulierte. Die Franzosen marschierten ein und besetzten die Stadt. Nach ein paar Tagen verließen die außen liegenden Truppen Rottweil und zogen weiter in den Raum Tuttlingen, um dort ein Heerlager aufzuschlagen. Vierzehn Tage nach dem ersten Wunder der Augenwende, wurden die Franzosen im dortigen Heerlager von den Bayrischen und Kaiserlichen Truppen in der Nacht überrascht und in die Flucht geschlagen.
In dieser Zeit ereignete sich der zweite Teil des Wunders der Augenwende. Die Mutter Gottes in der Dominikanerkirche erhielt ihre Gesichtsfarbe zurück und wendete mehrmals den Blick Richtung Tuttlingen. Dieses Wunder motivierte in den folgenden 100 Jahren immer mehr Menschen zur Wallfahrt nach Rottweil.
Ab 1753 sanierten die Dominikaner die äußerlich schlichte Bettelordenskirche. Wenn Sie heute durch das Portal treten, werden Sie im Stil des beginnenden Rokoko von Fröhlichkeit und Pracht empfangen. Ausdrucksvolle Deckengemälde, musizierende Engelchen und szenische Motive der Geschichte ziehen den Betrachter in ihren Bann.
Durch die Säkularisation 1802 war es mit der frommen Fröhlichkeit vorbei. Das Kloster mit dem Konvent wurde aufgelöst und die Dominikanerkirche geschlossen. Der Besitz ging an den Herzog von Württemberg, kam also in die Hände der Reformierten. Die „Maria der Augenwende“ wurde von ihrem Standort in die Heilig-Kreuz Kirche am Ort überbracht und hat seither dort ihren festen Platz.
Da aber mit den neuen württembergischen Machthabern evangelische Christen in die Stadt kamen, brauchten sie auch eine Kirche. Die Dominikanerkirche wurde 1806 zunächst Garnisonskirche und ist seit 1818 die evangelische Stadtpfarrkirche.
Der vor Jahren in Rottweil tätige evangelische Pfarrer Keinath bemerkte dazu: „Meine evangelische Kirche ist katholischer als die katholische Kirche Heilig-Kreuz. Die Kirche ist meiner Meinung nach die schönste evangelische Kirche in Baden-Württemberg.“